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Für viele ist es die Stadt der Liebe, der großen Boulevards und der ikonischen Sehenswürdigkeiten. Doch für Renato, und mich war klar: Wir wollten eine andere Seite der Stadt sehen. Drei Tage Zeit, drei Tage voller intensiver Begegnungen, abseits des Eiffelturms und der touristischen Routen.
Auf der Suche nach Gesichtern und Geschichten
35mm f1.4
Unsere Mission war klar: wir wollten Menschen treffen, ihre Geschichten spüren und besondere Gesichter porträtieren, die etwas mehr erzählen. Nicht die glänzenden Fassaden interessierten uns, sondern das Leben, das sich dahinter davor und darunter verbirgt.
24mm F1.4
24mm f1.4
Begegnungen in der Metro
35mm f1.4
Besonders die Metro wurde für uns zu einem kleinen Mikrokosmos der Stadt. Hier begegnet man Paris in seiner ganzen Vielfalt. Die Kleidung und der Stil der Pariser ist unglaublich faszinierend. Die Stadt der Mode ist tatsächlich eines der vielen Klischees. Aber es stimmt: Immer wieder hatte ich das Gefühl, als würden Menschen direkt vom Laufsteg in die Metro treten. Elegant, individuell und mit einer Selbstverständlichkeit, die nur Paris ausstrahlt. Viele Begegnungen blieben flüchtig. Andere wiederum führten zu Gesprächen, aus denen Porträts entstanden, die genau das festhalten, was wir suchten.
24mm f1.4
Ich finde, das Bild lebt stark von Gegensätzen und subtiler Symbolik. Wir sehen einen Mann, vermutlich obdachlos, der auf einer Bank in der Metro liegt. Ein Ort des Transits, aber für ihn wohl auch Zuflucht und temporärer Schlafplatz. Neben ihm prangt ein riesiges Werbeplakat, das eine ganz andere Welt zeigt: eine Luftaufnahme von einem Strand, das weite Meer, darin der Schatten eines Flugzeugs. Ein Versprechen von Ferne, Urlaub, Freiheit, Wohlstand. Doch während die Werbung eine glänzende Welt verspricht, bleibt seine Realität die der Großstadt, des Überlebens am Rand der Gesellschaft. Das Bild macht für mich die Kluft zwischen den Illusionen des Konsums und der harten Wirklichkeit jener, die ausgeschlossen sind sichtbar. Dass der Kopf des Mannes in die Richtung dieses Plakats zeigt, wirkt fast wie ein stiller Kommentar. Der Mann liegt buchstäblich neben dem Traum vom Reisen, aber er bleibt für ihn unerreichbar.
Die Frau mit der Katze
35mm f1.4
Manchmal sind es die unerwarteten Momente, die sich unauslöschlich ins Gedächtnis einprägen. An einer Haltestelle stieg eine junge Frau in die Metro ein, und ich traute meinen Augen kaum: Auf ihrem Rücken saß eine kleine Katze. Ganz ohne Leine, ohne Tasche, ohne jede Befestigung. Einfach so, als gehöre dieser Platz selbstverständlich ihr. Neugierig und fasziniert lief ich sofort zu ihr, während die Metro schon wieder in Bewegung geriet. Das Ruckeln der Bahn, das Dröhnen der Schienen und die lauten Stimmen ringsum schienen die Katze nicht im Geringsten zu stören. Gelassen und mit wachen Augen schaute sie umher, als sei sie längst daran gewöhnt, die Stadt auf diese Weise zu erkunden.
Für einen kurzen Moment wurde die hektische Metro zu einem stillen Raum der Verwunderung. Menschen sahen hin, lächelten und ich spürte dass dies einer jener kleinen Augenblicke war, die unsere Reise so besonders machen. Ich hielt meine Kamera hoch, die Frau nickte zustimmend und ich machte ein paar sehr nahe Bilder.
24mm f1.4
Wir saßen den beiden gegenüber, als sie sich über unsere Kameras unterhielten, die wir offen trugen damit wir jederzeit schnell reagieren konnten, wenn sich eine spannende Szene ergab. Der Mann rechts im Bild, dessen namen ich mir nicht gemerkt hatte, war Videofilmer, wie sich im laufe des gerade entstandenen Gesprächs herausstellte. Renato tauschte social Media Infos aus und fragte gleich nach einem Portrait. (sobald Renatos Blogpost online ist, verlinke ich ihn, damit ihr sein Bildergebnis sehen könnt)
24mm f1.4
In der Metro saß ich einer Frau gegenüber, die ihren kleinen Chihuahua fest im Arm hielt. Der kleine Hund wirkt auf mich fast zerbrechlich, gleichzeitig aber aufmerksam und neugierig. Direkt neben ihr klebte auf dem Fenster ein Warnhinweis: „Je monte avec, je descends avec“ – „Ich steige mit ein, ich steige mit aus“. Eine Aufforderung, die eigentlich für Gepäckstücke gedacht ist, aber in diesem Moment schien sie wie eine stille, fast poetische Anmerkung zu der Szene. Ein Schnappschuss, der nicht nur das Tier, sondern auch den besonderen Humor des urbanen Alltags in Paris festhält.
Le Marais
In einem der stilvollsten Viertel von Paris beginnt unser Morgen mit einem besonderen Frühstück. Paris und seine kulinarische Vielfalt sind beeindruckend: Die Bäckereien und Pâtisserien laden mit ihren Auslagen zum Verweilen ein, der Duft von frischem Gebäck liegt in der Luft und macht deutlich, warum die Stadt für ihre Esskultur weltberühmt ist.
35mm F1.4
Ihr Blick in Richtung Kamera ist durchdringend. Der Pfannenwender wirkt wie ein Messer, das sie in der Hand hält. Es verleiht der Szene eine merkwürdige Mischung aus Bedrohlichkeit und skurriler Entrücktheit.
Das verliebte Paar
Ich hatte mir gerade ein Croissant geholt, während Renato damit beschäftigt war, auf eine Frau zu warten, die er unbedingt porträtieren wollte. In diesem Moment fiel mir ein junges Paar auf: Hand in Hand liefen sie zügigen Schrittes die Straße hinab, so sehr in sich und ihre Welt versunken, dass sie alles um sich herum zu vergessen schienen. Ich hinterher, und sie liefen wirklich schnell. Außer Atem sprach ich sie schließlich an, machte ihnen Komplimente und erzählte, wie wunderbar ich es fand, sie so verliebt und glücklich durch Paris gehen zu sehen. Ich erklärte das ich ein Straßenfotograf aus Deutschland bin, und auf der Suche war nach genau solchen Momenten. Sie schauten sich kurz an, lächelten…. und sagten ja. Ich erklärte ihnen in wenigen Worten, was ich mir vorstellte, und machte dann eine kleine Serie von Bildern. Zum Abschied schenkte ich den beiden noch mein Leporello. Wir verabschiedeten uns herzlich, und als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, wie sie, immer noch Händchen haltend, hinter der nächsten Straßenecke verschwanden.
Ein paar Tage später schrieb mir Charles, der junge Mann, eine Nachricht. Ich konnte ihm die Bilder zuschicken – und er freute sich riesig darüber. Seine Worte rührten mich sehr:
“It looks so great 🥰 Thank you very much! Photos well received, thank you again so much! We are so lucky to have run into you that day!”
Für mich war es einer dieser wunderbaren Momente, in denen die Kamera eine Begegnung möglich macht, die ohne sie vielleicht nie stattgefunden hätte.
35mm f1.4
Der Mann am Café
Ein weiteres Porträt entstand an einem Café, wo ein älterer Mann saß. Schon von Weitem fiel er mir auf: das weiße Haar, die markante Brille die ihm fast eine theatralische Erscheinung verlieh. Sein Stil und seine Ausstrahlung machten sofort klar: Dies war jemand, der kein Problem damit haben würde, fotografiert zu werden. Also sprach ich ihn an. Für einen Moment zögerte er, als wolle er sich erst überreden lassen. Dann aber schenkte er mir ein leichtes Lächeln sagte: OK You can Do it!. Es war dieses kurze Innehalten, das dem Porträt für mich eine besondere Tiefe gibt als hätte er den Moment bewusst an sich herangelassen.
35mm f2.8
Liebe überall
An einer Straßenecke begegnete mir ein wunderschöner Moment: Ein Paar lief aufeinander zu, und als sie sich trafen, umarmten sie sich so innig, als hätten sie sich monatelang nicht gesehen. Dann folgte ein leidenschaftlicher Kuss dieser Moment grhörte nur ihnen. Ein Augenblick, der die Hektik der Straße für einen Moment vergessen ließ. Zum Glück konnte ich diesen Moment mit meiner Kamera einfangen und für immer festhalten.
24mm f1.4
35mm f1.4
35mm f2.8
35mm f1.4
Ein strahlendes Portrait
Ein weiteres Portrait, entstand als Renato gerade an einer sehr spannenden Storytelling Szene arbeitete: Ich sah in der ferne einen Mann mit hellem Hut und einem charakterstarken Gesicht. Ich musste mal wieder ein wenig schneller laufen um ihn einzuholen, da er gerade kurz vor mir die Straße überquerte. Als ich ihn ansprach, willigte er sofort ein. Sein Lächeln war entwaffnend, seine Augen strahlten vor Wärme und Lebensfreude. Er hatte es zwar eilig aber er nahm sich die Zeit für mich und schenkte mir ein paar Sekunden für eine kurzePortraitserie. Ich machte mehrere Bilder, jedes einzelne funktioniert für mich. Am Ende habe ich mich dann für dieses Bild entschieden:
35mm f2
Begegnungen in La Goutte d’Or
Mitten in den Straßen von La Goutte d’Or fiel mir eine Frau auf. Sie trug ihr Kind auf dem Rücken, und ihre Kleidung war farbenfroh, ausdrucksstark, voller Charakter. Ich fragte sie, ob ich ein Bild von ihr machen dürfe. Doch sie schüttelte den Kopf, lehnte freundlich, aber bestimmt ab. Also ging ich weiter.
Plötzlich sprach mich ein großer, kräftiger Mann an. Ob ich gerade versucht hätte, die Frau mit dem Kind zu fotografieren, wollte er wissen. Ich erklärte ihm, dass sie nicht wollte – und war schon im Begriff weiterzugehen. Doch er ging zurück zu ihr und fragte direkt: Warum nicht? Er ist Künstler aus Deutschland, sagte er. Er sprach mit ihr eine ganze weile, ich verstand jedoch das Gespräch zwischen den beiden nicht. Doch die Frau blieb bei ihrer Entscheidung, und er respektierte das. Als er zurückkam, sah er mich an und sagte in gebrochenem Deutsch: Dann mach ein Portrait von mir! Ich war überrascht, dass er Deutsch sprach – und noch mehr, als er mir erzählte, dass er fast ein dreiviertel Jahr in Karlsruhe gelebt und gearbeitet hatte. Verrückt, wie klein die Welt manchmal ist. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein, zückte die Kamera und sagte: I come closer for a better portrait.
35mm f1.4
Das mache ich immer so denn ich liebe es, auch Portraits mit 35mm zu fotografieren. Die Nähe, die dabei entsteht, macht das Bild für den Betrachter unmittelbarer, greifbarer, fast körperlich spürbar. Ich machte drei, vier Bilder. Dann gab ich ihm meine Visitenkarte und sagte, er solle mir einfach schreiben, ich würde ihm das Bild gern schicken. Bis heute habe ich nichts von ihm gehört. Aber ich habe mir fest vorgenommen, all meine Paris-Porträts auszudrucken und bei meiner nächsten Reise mitzunehmen.
Die junge Fotografin
Wir liefen weiter, als mir eine junge Frau mit Kopftuch auffiel. Ihr Gesicht wirkte durch das Tuch besonders präsent. Sie war gerade dabei, mit ihren Freundinnen ein Auto auszuladen. In der Hand hielt sie eine Kamera mit Teleobjektiv.
Neugierig kam ich näher, und wir kamen ins Gespräch. Als ich sie fragte, ob ich ein Porträt von ihr machen dürfe, zeigte ich ihr mein Leporello. Ihre beiden Freundinnen eilten herbei. Begeistert blätterten sie durch die Bilder. "These pictures are from you?" fragte eine von ihnen… "WOW!"
Die beiden wollten sofort fotografiert werden. Ich ließ sie einfach auf dem Radweg auf mich zugehen, in Bewegung wirkt alles natürlicher. Sie liefen wie Models, völlig mühelos. Erst danach machte ich das Porträt, das ich ursprünglich im Kopf hatte: das der jungen Fotografin mit Kopftuch.
35mm f1.4
35mm f1.4
35mm f1.4
Auch renato gab seine Kontaktdaten weiter und bekam von den 3en ein fantastisches Feedback für sein Portfolio
Im “afrikanische Viertel”, so haben Renato und ich diesen Stadtteil fortan genannt, hatten wir noch so einige Begegnungen. Alle aufzuzählen würde hier jedoch den Rahmen sprengen. Ein letztes Portrait von dort, habe ich jedoch noch für euch.
35mm f1.4
Der BOSS
Wir kamen an einem kleinen Gemischtwarenladen vorbei. Direkt davor, mitten auf dem Gehweg, saß ein Mann in einem alten Bürostuhl – entspannt, souverän, als gehöre ihm die ganze Straße. Er wirkte wie der ungekrönte Chef des Viertels. Ein kleines Detail bestätigte meine Vermutung: Auf seinem Hemdkragen stand in dicken Buchstaben der Schriftzug einer der bekanntesten Modemarken. BOSS.
35mm f1.4
La Goutte d’Or war für uns einer der intensivsten Orte dieser Reise. Laut, lebendig, direkt. Aber auch voller Begegnungen auf Augenhöhe. Hier ging es nicht um das perfekte Zusammenspiel von Licht und Schatten, perfekte Kompositionen oder spektakuläre Kulissen. Sondern um Nähe, Respekt und echte Momente.
Ich habe viel gesehen, viel gefühlt und vor allem: viel gelernt. Über das Fotografieren, über Menschen, über Schubladen und auch über mich selbst. Für den Rest des Abends war ich voller Gedanken. All die Begegnungen, Gesichter und Geschichten wollten erst einmal sacken. Obwohl wir noch viel gesehen haben, konnte ich an diesem Abend kaum weiteren Bilder mehr machen. Mein Kopf war voll, mein Blick satt.
Am nächsten Morgen war alles wieder klar. Ich war ausgeruht, wach und motiviert, weiter Bilder zu machen, weiter Geschichten zu entdecken. Es war bereits unser letzter Tag in Paris.
35mm f1.4
Nebel über dem Platz
Am letzten Tag kamen wir an einen Platz, der sofort eine besondere Atmosphäre verströmte. Aus kleinen Düsen im Boden stieg feiner Wasserdampf auf und legte sich wie ein Schleier über den Ort. Der Nebel schwebte in der warmen Luft, ließ Umrisse verschwimmen, Menschen auftauchen und wieder verschwinden, als befände man sich in einem Traum. Kinder rannten lachend hindurch Radfahrer und Hundebesitzer hatten auch ihren Spaß. Silhouetten kreuzten sich, verschwanden im Dunst. Die Szenerie war geheimnisvoll, fast filmisch. Für einen Moment stand die Zeit still und ich verweilte mindestens eine halbe Stunde an dem Ort um verschiedene Perspektiven zu testen. Paris zeigte sich noch einmal von einer völlig anderen Seite.
35mm f11
DAS MODEL
Auf der anderen Straßenseite fiel mir eine Frau sofort ins Auge. In dunkler, lässiger Kleidung und mit einer großen schwarzen Sonnenbrille lief sie parallel zu mir auf eine Ampel zu. Ihre Haltung, ihre Ausstrahlung – alles an ihr wirkte selbstbewusst und stark. Ein Model, dachte ich sofort.
Als sie die Straße überquerte, sprach ich sie an und fragte nach einem Porträt. Ohne Zögern willigte sie ein. Gemeinsam gingen wir ein Stück um die Ecke, unter die Markise eines Ladens, damit die grelle Mittagssonne keine störenden Spiegelungen in ihrem Gesicht hinterließ. Dort, im weichen Schatten, entstand ein Porträt, das ihre Ausstrahlung perfekt einfing.
35mm f1.4
35mm f1.4
Damit schließe ich meinen ersten Blogpost zum Thema Paris Portraits und Storytelling ab. Es war eine Reise voller Begegnungen, intensiver Momente und Geschichten, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Im nächsten Teil, den ich in den kommenden Tagen veröffentlichen werde, nehme ich euch mit auf eine klassische Reisereportage durch Paris.
Wenn euch dieser Beitrag gefallen hat, freue ich mich über eure Kommentare, Gedanken und natürlich auch, wenn ihr den Blogpost liked oder teilt.
Kamera & Objektive
Wir waren beide mit der Sony A7cII und diesen Objektiven unterwegs:
14mm f1.8 GM
24mm f1.4 GM
35mm f1.4 GM
35mm f2.8 Zeiss
85mm f1.8
Bei mir sind rund 90% der Bilder mit dem 35mmf1.4 und dem 24mmf1.4entstanden. Ich denke, das ich die anderen Objektive hätte zuhause lassen können.
Sobald Renato´s Blogpost online ist, verlinke ich ihn hier. Bis dahin könnt ihr euch seine Webseite anschauen: